Fruchtbarkeitsstörungen des Mannes

sind ein sehr häufiges Krankheitsbild, das wir in unserem Zentrum behandeln.  Männliche Fruchtbarkeitsstörungen können unterschiedlich ausgeprägt sein, von einer nur leichten Einschränkung der Zeugungsfähigkeit bis hin zu sehr schweren Störungen.

Die Ursachen von  Fruchtbarkeitsstörungen können vielfältig sein, so z. B. Zustand nach Hodenhochstand (= Maldescensus testis = Kryptorchismus), Chemotherapie oder Strahlentherapie nach früherer Tumorbehandlung, Hodenkrampfader (= Varikozele), genetische Ursachen (z. B. Klinefelter-Syndrom oder bilaterale Samenleiteraplasie = CBAVD), Umwelteinflüsse (z. B. östrogenartige Substanzen), Medikamenteneinnahme u. a.

Wenn im Ejakulat Spermien nachgewiesen werden, aber Anzahl und/oder Beweglichkeit eingeschränkt sind (zu wenige oder zu wenig bewegliche Spermien) oder sonstige Auffälligkeiten bei der Untersuchung der Samenflüssigkeit zu Tage treten, kommen evtl. medikamentöse Therapieversuche in Frage. Dazu muss der sog. Hormonstatus des Mannes bestimmt werden, d. h. es werden einige Hormone im Blut untersucht.
Ggf. muss auch eine genetische Untersuchung erfolgen. Dabei wird Blut abgenommen und in ein humangenetisches Institut zur Untersuchung eingeschickt. Von diesen Befunden hängt dann ab, ob der Arzt eine medikamentöse Therapie empfiehlt. Wenn eine Hodenkrampfader (=Varikozele), eine Zyste in der Prostata oder andere Anomalien vorliegen, kann evtl. ein operativer Eingriff zur Behandlung sinnvoll sein, um die Ejakulatqualität zu verbessern.

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Prof. Schwarzer

Die Entscheidung, ob ein medikamentöser Therapieversuch oder ein operativer Eingriff sinnvoll sind, hängt immer von der individuellen Situation des Paares ab, weil natürlich auch die Situation der Partnerin, deren Alter sowie der sog. gynäkologische Fertilitätsstatus von entscheidender Bedeutung für die Fruchtbarkeitschancen des Paares sind.

Bei unerfülltem Kinderwunsch wird der Androloge nie alleine nur den Mann im Blick haben, sondern immer auch die Situation der Frau berücksichtigen, weil es sich eben um ein Paarproblem handelt.

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Wenn die vom Andrologen erhobenen Befunde es sinnvoll erscheinen lassen, dem Paar eine künstliche Befruchtung zu empfehlen, so wird er dem Paar die Gründe dafür genau erläutern und das Paar an ein IVF-Zentrum, die sich meist Kinderwunschzentren nennen, überweisen.

Bei etwa 10 % der Männer mit Fruchtbarkeitsstörungen finden sich überhaupt keine Spermien in der Samenflüssigkeit (=Ejakulat), was mit dem Fachbegriff Azoospermie beschrieben wird.

Dahinter verbergen sich zwei Formen einer Azoospermie

Die obstruktive Azoospermie

Bei der obstruktiven Azoospermie besteht eine normale Spermienproduktion im Hoden (=Spermatogenese), wobei die Spermien jedoch aufgrund eines Samenwegsverschlusses nicht ins Ejakulat gelangen können. Der Samenwegsverschluß kann angeboren oder durch Entzündung oder Verletzung der Samenwege (z. B. bei einer Operation) verursacht sein. 

In den Fällen mit Verschluß der Samenwege aufgrund einer Infektion (z. B. Nebenhodenentzündung) können die Samenwege durch einen mikrochirurgischen Eingriff (Refertilisierung) wieder durchgängig gemacht werden.

Alternativ kann zur Ermöglichung einer künstlichen Befruchtung (ICSI) Hodengewebe zur Gewinnung von Spermien entnommen werden.

Bei obstruktiver Azoospermie, wo eine normale Spermienproduktion im Hoden, aber ein Verschluss der Samenwege vorliegt, genügt eine unilokuläre Hodenbiopsie (TESE), d. h. die Entnahme von nur einem kleinen Stück Hodengewebe.

Dieser ca. 15 minütige Eingriff kann problemlos ambulant in örtlicher Betäubung (Lokalanästhesie) durchgeführt werden.


Nicht-obstruktive Azoospermie

Wenn aufgrund einer Störung der Spermienproduktion keine Spermien in der Samenflüssigkeit (Ejakulat) erscheinen, nennt man diesen Zustand eine nicht-obstruktive Azoospermie.

Bei der nicht-obstruktiven Azoospermie liegt das Problem nicht an den Samenwegen, sondern im Hoden selbst; es liegt also ein „Spermienproduktionsproblem“ des Hodens vor. Dies bedeutet jedoch nicht unbedingt, daß im Hoden keine Spermien gebildet werden. Vielmehr kann eine Spermienproduktion in reduziertem Ausmaß vorliegen, so daß im ganzen Hoden oder in einigen Bezirken des Hodens Spermien produziert werden, diese jedoch nicht über den Nebenhoden und die Samenwege hinaus in die Samenflüssigkeit gelangen. In diesem Fall können (je nach Art der Störung) bei bis zu 80 % der Fälle (je nach Ursache der Hodenstörung) Spermien auf operativem Wege aus dem Hoden gewonnen und für eine künstliche Befruchtung (ICSI) verwendet werden. Die Ursache einer nicht-obstruktiven Azoospermie kann angeboren oder erworben sein (Leistenhoden in der Kindheit, Zustand nach Chemotherapie oder Bestrahlung wegen einer Tumorerkrankung u. a.).

Bei nicht-obstruktiver Azoospermie besteht neben medikamentösen Therapieversuchen in den meisten Fällen nur eine Therapiechance in der Gewinnung von Hodenspermien (testikuläre Spermatozoen) durch eine Hodenbiopsie (TESE) für die intrazytoplasmatische Spermatozoeninjektion (ICSI).

Die Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins von Hodenspermien trotz fehlendem Spermiennachweis im Ejakulat hängt von der zugrunde liegenden Störung ab und kann vom Arzt vor der Operation eingeschätzt werden. In manchen Fällen, vor allem bei Klinfelter-Syndrom, kann eine medikamentöse Vorbehandlung die Chancen, Spermien zu finden, erhöhen. Je nach Art des Hodenschadens liegen die Chancen zur Gewinnung von Hodenspermien zwischen 20% und 80 % (durchschnittlich 70 %) – siehe auch Artikel aus „Andrologia“ und „Asian Journal of Andrology“.

Bei Azoospermie aufgrund eines sogenannten Klinfelter-Syndrom handelt es sich immer eine nicht-obstruktive Azoospermie.

Klinefelter-Syndrom

Einer von sechshundert Männern (1:600) ist von einer genetischen Variante betroffen, wo ein X-Chromosom zu viel vorhanden ist und deshalb ein Chromosomensatz von 47 XXY resultiert. Bei dieser genetischen Variante (Klinefelter-Syndrom) besteht immer eine schwere Einschränkung der Fruchtbarkeit, meist liegt eine Azoospermie vor, es finden sich also meistens keine Spermien im Ejakulat. Allerdings können trotz dieser nicht-obstruktiven Azoospermie mit durchschnittlich 50 % iger Wahrscheinlichkeit (eigene Daten) Spermatozoen im Hoden vorhanden sein, die man operativ gewinnen und für die künstliche Befruchtung ICSI verwenden kann.
Generell gilt, je jünger der Patient, desto höher sind die Chancen, Spermatozoen im Hoden finden zu können.

Bei Klinefelter-Patienten sollte zur Gewinnung der Hodenspermien immer eine MIKRO-TESE durchgeführt werden, da das Hodenvolumen immer sehr gering ist und deshalb besonders schonend vorgegangen werden muss, um keinen Verlust der hormonproduzierenden Zellen des Hodens zu bewirken.

Außerdem gibt es aus jüngster Zeit wichtige Erkenntnisse über die prognostischen Faktoren für die Wahrscheinlichkeit, Hodenspermatozoen zu gewinnen. Neben dem Alter des Patienten (je jünger, desto günstiger) gilt der Ausgangswert des Testosteron im Serum als prognostischer Faktor. Liegt der unter 3 ng/ml im Serum, soll eine mehrmonatige medikamentöse Stimulationsbehandlung (vorzugsweise mit HCG) erfolgen. Steigt darunter der Testosteronspiegel an, läßt sich also die endogene Testosteronproduktion steigern, liegen günstigere Voraussetzungen für die Detektion von Hodenspermien vor (60- 70%) als bei fehlendem Anstieg des Testosteronspiegels durch die Vorbehandlung. Steigt das Testosteron nicht an, betragen die Chancen zur Spermiendetektion 30-50 %. Liegt primär eine Testosteronspiegel > 3 ng/ml i. S. vor, braucht in der Regel nicht vorbehandelt werden. Dies alles gilt nur, wenn vorher kein Testosteron in Form von Gel oder Spritzen gegeben wurde. Wurde eine Vorbehandlung mit Testosteron durchgeführt, muss mindestens 6 Monate gewartet werden, bis die Mikro-TESE erfolgen kann.

Möglicherweise wird sich dieses moderne Konzept der Vorbehandlung vor einer Mikro-TESE auch bei anderen Formen der nicht-obstruktiven Azoospermie (wo kein Klinefelter-Syndrom vorliegt) durchsetzen. Die diesbezüglich vorliegenden wissenschaftlichen Daten bestätigen dies jedoch bislang noch nicht eindeutig.

Hodenbiopsie in örtlicher Betäubung mit Entnahme von einem kleinen Stück Hodengewebe (unilokuläre TESE). Mechanische Aufarbeitung des Hodengewebes zur Gewinnung von Spermien und Einfrieren (Kryokonservierung) der Spermien für die spätere Verwendung bei der künstlichen Befruchtung (ICSI).

Operative Techniken zur Spermienentnahme von Hoden und Nebenhoden – Entnahme von Nebenhodenflüssigkeit (MESA) oder von Hodengewebe (TESE) zum Versuch der Spermiengewinnung und Kryokonservierung und evtl. künstlichen Befruchtung (ICSI)
Kosten und Infos

Die Kosten für die genannten Untersuchungen liegen (je nach Zeitdauer der Untersuchung und Beratung) bei € 200,- bis 300,- und werden normalerweise von den privaten Krankenkassen übernommen.

Diese Leistungen werden im Rahmen der interdisziplinären Zusammenarbeit mit reproduktionsmedizinischen Zentren in München und anderen Orten angeboten. Auf diesem Gebiet arbeiten wir grundsätzlich mit allen Münchner IVF-Zentren und Kinderwunschzentren zusammen. Eine besonders intensive Zusammenarbeit besteht mit

Kinderwunsch Centrum München – Pasing: Tel. 089-244144-67,   info [at] ivf-muenchen.de

Kinderwunschzentrum ART München-Bogenhausen: Prof. Berg, Dr. Lesoine, Dr. de Oriol, Dr. Ziehr

Kinderwunsch Centrum Chiemsee in Prien: Dr. S. Böhm und Dr. A. Stachl: Tel. 08051-5050,   info[at]kinderwunsch-chiemsee.de

Termine für MESA/TESA: Dienstag, Mittwoch, Donnerstag nach Vereinbarung über das Andrologie Centrum München.

Jameda: Refertilisierung


Obstruktive Azoospermie

Wenn ein Verschluss der Samenwege zu einem Fehlen von Spermien im Ejakulat geführt hat, nennt man dies obstruktive Azoospermie. In diesem Fall werden sicher noch Spermien im Hoden gebildet, die meistens auch noch weiter bis in den Nebenhoden gelangen. So können bei obstruktiver Azoospermie Spermien immer vom Hoden durch eine einfache Hodenbiopsie (von einer Stelle) und meistens auch vom Nebenhoden durch eine mikrochirurgische Spermienaspiration (MESA) gewonnen werden. Die MESA sollte jedoch nur dann durchgeführt werden, wenn keine Option zur Refertilisierung mehr besteht, also z. B. bei der bilateralen Samenleiteraplasie (CBAVD).

Die Münchner TESE-Technik = mikrochirurgische testikuläre Spermatozoengewinnung

Unsere Technik und das Konzept der TESE unterscheidet sich in einigen Punkten wesentlich vom Konzept anderer Arbeitsgruppen. So erfolgt der Eingriff immer in den Räumen des IVF-Zentrums. Die Entnahme des Hodengewebes wird als offene Hodenbiopsie durchgeführt, wobei je nach Erfordernis die Mikro-TESE durchgeführt wird. Die notwendige Anzahl der Hodenbiopsie ergibt sich aus der jeweils zeitnahen Rückmeldung aus dem benachbarten IVF-Labor über das bereits entnommene und untersuchte Hodengewebe. So wird eine fraktionierte und volumenadaptierte Biopsietechnik mit flexibler Entscheidung über die Anzahl der zu entnehmenden Hodenbiopsate ermöglicht. Zusätzlich wird immer eine Histologie gewonnen. Die durch mechanische und ggf. zusätzlich enzymatische Extraktion gewonnenen Spermatozoen werden für die spätere ICSI in einzelnen Portionen (straws) eingefroren (kryokonserviert).

TESE = Testikuläre Spermatozoenextraktion

Der Versuch der Gewinnung testikulärer Spermatozoen erfolgt mittels offener Hodenbiopsie ambulant in örtlicher Betäubung oder in Vollnarkose in den Räumen des Kinderwunschzentrums. Dabei erfolgt der Zugang über einen Hodensackschnitt, im Ausnahmefall über einen Leistenschnitt. Je nach individuellem Ausgangsbefund und intraoperativem Befund wird der Eingriff ein- oder beidseitig durchgeführt. Auch bei beidseitiger Operation braucht normalerweise kein zweiter Hodensackschnitt angelegt zu werden, da von der Mittellinie des Hodensackes aus (Raphe) beide Hodenfächer erreicht werden können. Nach Entnahme des ersten Stücks Hodengewebe wird dieses sofort ins benachbarte IVF-Labor gereicht, wo es innerhalb weniger Minuten aufgearbeitet und auf Spermien untersucht wird. Dieses Ergebnis entscheidet dann über das weitere Vorgehen. Die jeweils zeitnahe Rückmeldung aus dem benachbarten IVF-Labor über das bereits entnommene und untersuchte Hodenparenchym ermöglicht eine fraktionierte und volumenadaptierte Biopsietechnik mit flexibler Entscheidung über die Anzahl der zu entnehmenden Hodenbiopsate, die ggf. in der Technik der Mikro-TESE entnommen werden. Zusätzlich wird immer ein sehr kleines Stück Hodengewebe für die feingewebliche Untersuchung (Histologie) entnommen.

Mikro-TESE  = mikrochirurgische epididymale Spermatozoenaspiration

Wenn der Patient dem Konzept der Mikro-TESE zugestimmt hat und nach der Entnahme von 2-3 Biopsien von verschiedenen Stellen des Hodens keine Spermatozoen detektiert werden können, erfolgt das Einschwenken des Operationsmikroskops und die Durchführung der sogenannten Mikro-TESE (=mikrochirurgische testikuläre Spermatozoenextraktion). Dazu wird die Hodenhaut (Tunica albuginea) in der Äquatorialebene quer eröffnet, so daß das darunterliegende Hodengewebe großflächig unter dem Mikroskop untersucht werden kann. Mit Hilfe des Mikroskops kann es bei heterogenem Hodenschaden gelingen, die Bezirke im Hoden aufzusuchen, in denen noch eine Restspermatogenese (Bildung von Spermien) vorliegt. Nach der großflächigen mikrochirurgischen Exploration des Hodenparenchyms und der gezielten mikrochirurgischen Entnahme von vielen kleinen Biopsien von den Stellen, wo eine fokale Spermatogenese vermutet wird, erfolgt der Wiederverschluß der Hodenhaut mit selbstlösender Naht. Die Rate der Spermiendetektion (= Auffinden von Spermien) liegt mit dieser Technik – je nach Art der Spermatogenesestörung – bei durchschnittlich 70 %. Neben der relativ hohen Spermiendetektionsrate liegt ein weiterer Vorteil der Mikro-TESE im gewebeschonenden Vorgehen mit Entnahme nur sehr kleiner Biopsien. Somit stellt die Mikro-TESE ein minimal-invasives, schonendes Verfahren dar, das besonders bei allen Formen eines inhomogenem Hodenschadens seine Vorteile erweist.

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